Vernissage am 01.03.2024 um 18 Uhr
Ausstellungdauer: 02.03 bis 31.03.2024
Vernissage am 01.03.2024 um 18:00 Uhr ct
Begrüßung: KVFM
Einleitende Worte: Peter Seidel
Peter Seidel – I muri parla
Vor dem Hintergrund der Nacht von Mondschein und Laternen gemeißelte Lichtskulpturen. Venezia black & light. Aus den analogen Wanderungen des Lichtsammlers und Fotografen entstand eine Hommage an die unvergleichliche Stadt, lange Zeit bildlos, stieg er wie ein Boxer immer wieder zu the most touristed city in den Ring. Erst nach Abstraktion von Sonne, Farbe, Kontrasten, quietschbunten Menschen, Lärm und Bewegung erschlossen sich ihm neben steinernen Zeugen von Pracht und Macht die intimen Calle und Campi, ihre Aura und zerbrechliche Schönheit. Auf engstem Raum die Tiefe des Schlicks, darüber Wasser, Millionen von Pfählen, wegen deren Bäumen die Nachbarländer kahlgeholzt wurden, Backsteinfundamente, die Marmorblöcke für die Schokoladenseiten der Palazzi und bis zu siebenstöckigen Backsteinblocks im ältesten Ghetto, gekrönt vom schwarzen Himmelsraum, der verschwenderisch nach der Vertikalen verlangte.
Stadträume werden zum Bühnenbild, gleichzeitig sind sie Zuschauerloge; wie in den Gemälden Edward Hoppers verschwinden in Venedig die Grenzen zwischen Innen und Aussen, zwischen Öffentlichkeit und privatem Rückzugsort.
Si fa bella figura, sich von der besten Seite zeigen, darauf legen Venezianer/innen Wert, kein Wunder, daß sie auch das Meer im Tabletformat erfunden haben, den Spiegel aus Bleiglas. Die Stadt selbst ist bereits steingewordenes Selfie, ein Effekt, der im Ego-Monitoring der Besucher durch die Kanäle des social ranking volle Fahrt aufnimmt. Nach vielen Jahrhunderten im Glanz als bedeutendster Staat des Mittelmeerraumes haben Millionen von Durchreisenden den Ort zu einem riesigen Museumsshop werden lassen, während die Bevölkerung die Flucht ergriff. Geblieben ist ein vom internationalen Tagesgeld gefluteter Erdenfleck voller Widersprüche. Einmal auf der Piazza San Marco, so erinnert sich Peter Seidel, bildete sich bei trockenem Wetter auf dem millardenfach heruntergetrappelten Pflaster eine kleine Pfütze. Sie blieb einige Wimpernschläge lang, dann wurde sie von den Steinen aufgesogen, um sich kurz darauf erneut zu zeigen. Ein Sinnbild für das Ganze. I muri parla bedeutet im venezianischen Dialekt: Die Mauern sprechen.
Venedig bei Nacht in Schwarzweiß ist wie Radiohören. Es öffnen sich Räume für die Phantasie, eine Einladung, sie selbst auszumalen.