Fr 30. April 2021 – So 23. Mai 2021

Vernissage: Freitag, 30. April 2021
Dauer der Ausstellung 30. April bis 23. Mai 2021

Einführung: Karin Nedela

EROS UND ANDERE DÄMONEN

Atelier Vesna Bilic

…“So gerät jeder geistige, jeder schöpferische Mensch unweigerlich in den Kampf mit seinem Dämon, und immer ist es ein Heldenkampf, immer ein Liebeskampf: der herrlichste der Menschheit“…
Stefan Zweig, Der Kampf mit dem Dämon – Hölderlin, Kleist, Nietzsche

Dämonen. Das Wort hat in all den Jahren, seitdem es aus der mythischen und relgiösen Anschauung der Antike, in der sie eine Mittelstufe zwischen Göttern und Menschen darstellten, so viele Verwandlungen und Deutungen über sich ergehen lassen müssen, dass es eine wahre Freude ist, in den neuen Werken von Vesna Bilic ein besonderes Gefühl und einen ganz eigenen Blick für dieses Wort erhaschen zu können.

Dämonen und ganz besonders Eros, der wohl bekannteste unter ihnen, sind so gesehen, wohl uns allen wesenhaft eingeborene Unruhegeister, die uns antreiben, unsere Seelen in Wallung bringen und uns in ihrer Überschwenglichkeit vorwärts und sprichwörtlich über uns hinaus ins Unendliche drängen.

In diesem Lichte sind sie nicht nur großartige Verführer, sondern die eigentlichen Baumeister der Seele, großartige Architekten psychologischer Landschaften.

In Vesna Bilics neuer Ausstellung begegnen wir einer ganzen heiligen Schar dieser geistigen Schagschatten aus Licht und Gegenlicht: Marlon Brando, Rudolfo Valentino, Charly Chaplin, Micky Mouse, Oscar Wilde, Shiva und vielen anderen mehr.

Verholen, mit einem Lächeln hinter dem Spiegel, blicken sie uns in Vesna Bilics Arbeiten an, diese Treib- und Triebkräfte, die Aufschwünge der Leidenschaft, des Orgiasmus, der erotisch durchdrungenen Trunkenheit, und nehmen uns mit auf eine Reise, die, wie Stefan Zweig es ausdrückte, zwar an Unendliches rührt und doch keine Grenzen kennt.

Katrin Köster über Vesna Bilic

Als mir Vesna zum ersten Mal begegnete, war klar, dass ich nun ihre Arbeiten, die ich bisher nur aus einer Mappe kannte, nicht mehr ohne ihre Person sehen könnte. Ich hatte mir eine Künstlerin vorgestellt, die bis zu den Ellbogen in Farbe und kohlschwarzen Stiften versunken mit exzessiver Hingabe und Expressivität nur in ihrer Bilderwelt lebt. Aber Vesna selbst ist mit ihrer unverwechselbaren Frisur, ihren hohen Schuhen und dem eigenwilligen Kleiderstil im Hier und Jetzt, zumindest mit einem Bein. Mein Blick geht hin und her zwischen der leibhaftigen Vesna und ihren Selbstporträts und Szenerien mit sich selbst als Darstellerin. Bei einem Besuch in ihrem Atelier, kam sie mir mit High Heels entgegen und ich lernte, dass sie diese Schuhe selbstverständlich auch zum Malen trägt, „da braucht man keine Leiter“. Was Attitüde sein könnte, ist Haltung. Immer mehr verschmolz von da an Vesna mit ihrer Kunst und ich wunderte mich nicht mehr. Neben der klassischen Ölfarbe wird auch Schminke zum Malen benutzt, und die Technik der alten Meister von Grünuntermalung der Hauttöne wird ebenso für das eigene Gesicht verwendet. Zum Beweis zieht sie einen schalgrünen Makeup-Stift aus der Handtasche. Ihre Bilder sind Selbstreflektionen und erzählerisch-filmische Szenerien mit ihr als Selbstdarstellerin. Und so wie Schminke nicht nur dem Herrichten der äußeren Erscheinung dient und dabei gleichzeitig schützend verbirgt und hervorhebt, findet sich diese Eigenschaft auch in Vesnas Kunst wieder. Aus dem Schutz heraus ist radikales Erzählen möglich.

Das Mädchen und die sitzende Frau, beide mit Vesnas Gesicht, waren gerade noch einander zugewandt in das Spiel mit der Handpuppe vertieft, als sich ihr Blick gemeinsam auf mich richtet, dabei schaue ich doch nur in das Bild. Dies ist die Sekunde, in der die Positionen zwischen Menschen geklärt werden: darf ich teilhaben an dieser für Fremde eigentlich zu intimen Szene, bin ich Störer oder bin ich willkommen?
So wie die Frau dem Mädchen gegenübersitzt, das Fenster im Hintergrund, stammt dieser Moment aus einer alten Welt. Wenn ich die erzählte Zeit noch weiter zurückdrehe sitzt die Frau allein am Fenster in einem Leben, als man Sessel noch ans Fenster stellte. Das Spiel des Mädchens wird durch mich unterbrochen, solange ich in das Bild schaue. Sie winkt mir sogar, als würde sie mich kennen. Die Puppe ist ein Wolf und wenn ich mich wieder abwende, setzt das Kind seine Geschichte fort.

Vesna Bilic‘ Kunst hat viele Schichten, das bisher Geschilderte ist nur eine davon. Ihr Requisitenfundus jedoch findet sich immer wieder, wird mir vertraut und in seiner symbolhaften Verwendung gleichzeitig suspekt. Ich möchte den Wolf gerne anstupsen und fragen, bist du echt oder Symbol oder Requisite.

Ich sehe sie nun in Vesnas anderen Bildern und aus Einzelblättern zu Streifen oder Blöcken zusammengesetzten Bildergeschichten, fast schon wie in einem auf Schwarz-Weiß und Rot reduzierten Comic. Das Spiel mit Erzählzeit ist jetzt noch deutlicher. Hier gibt es immer etwas Nichtgezeigtes zwischen den Bildern. Das Licht und die Kulisse wird bühnenartig, ein Schattenwald, das spielende Kind, der Wolf und immer irgendwo Vesna, die auch das Kind ist, dann wieder mit Zigarette, Rauch.

Ihr meisterlicher Umgang mit klassischer Maltechnik und Komposition, ihre kunstgeschichtliche Kenntnis von der Verwendung von Symbolen macht mich eher vorsichtig. Denn der Schatz ihrer Kunst liegt jenseits der Verführung gängiger Deutungsmuster. Auch sich auf anderen Pfaden heran zu schleichen, etwa, indem man sich der Traumdeutung bedient, könnte schief gehen. Der Schatz den ich spüre liegt irgendwo im unebenen Gelände von Lebensspanne, Schicksal, Gleichzeitigkeit von Gestern – heute – morgen, Metamorphosen von gerade noch Fleisch und Blut gewesenen Menschen in Puppen und Aschenbechern in eigene Wesen, Zähmung von Wildem und Angst vor Schatten.
Ich folge gerne dem winkenden Mädchen und mache mich auf den Weg durch dieses Gelände. Auch mein eigenes Gesicht wird vielleicht in einem der zahlreichen Spiegel sein.

Katrin Köster